Metzgermeister Harro Bollinger zeigt ein gereiftes Stielkotelett vom Schwäbisch-Hällischen g.g.A. Metzgermeister Harro Bollinger zeigt ein gereiftes Stielkotelett vom Schwäbisch-Hällischen g.g.A.

 „Dry aged“ ist unter Fleischfans längst ein Megatrend. Die meisten kennen die Methode allerdings nur von Rindfleisch. Metzgermeister Harro Bollinger lässt auch Fleisch von Kalb, Schwein und Lamm reifen. Hier erklärt er, wie und warum.

Staunend stehen Kunden vor dem neuen Reifeschrank am hinteren Ende der langen Fleischtheke im Regionalmarkt Hohenlohe in Wolpertshausen. Die Rückwand des Schranks besteht aus goldgelbem Salzstein; zum Markt hin bietet die Verglasung den Blick aufs Innere: große Fleischstücke am Knochen, die von der Decke hängen. Die Ausmaße sind beeindruckend: Der Reifeschrank misst rund 2,50 mal 2,50 Meter in der Fläche und ist etwa 2,50 Meter hoch.

„Hier haben 80 Rinderschoße vom bœuf de Hohenlohe Platz“, erklärt Harro Bollinger, der die Fleischtheke im Regionalmarkt leitet. Zur Erklärung: Ein Rinderschoß entspricht einem halben Rinderrücken mit Bein. Auch „Pistolen“ (eine Pistole entspricht einer Keule und einem halben Rücken) vom Hohenloher Lamm und Hohenloher Kalb hängen im Reifeschrank, zudem große Kotelettstücke vom Schwäbisch-Hällischen Schwein g.g.A. (EU-geschützte geografische Angabe).

Mindestens vier, maximal acht Wochen reift hier das Fleisch vom Weiderind bœuf de Hohenlohe in der klimatisierten Kammer. Bei Schwäbisch-Hällischem Qualitätsschweinefleisch g.g.A., Hohenloher Lamm und Hohenloher Kalb genügen zwei Wochen, bis sich Geschmack und Aroma intensiviert haben und das Fleisch butterzart ist.

Aber was passiert bei der Fleischreifung eigentlich? Direkt nach der Schlachtung ist Fleisch nahezu ungenießbar. Die rasch einsetzende Todesstarre setzt ein. Erst nach und nach setzt Sauerstoff biochemische Prozesse in Gang, die Muskeln und Gewebe lockern. Eiweißspaltende Enzyme verändern die Struktur der Muskelzelle und lockern sie auf. Das Fleisch wird zart.

Blickfang: der große Reifeschrank im Regionalmarkt Hohenlohe.

„Trocken gealtert“ heißt Dry Aged übersetzt. Alter gleich Reifung. Die gelingt freilich nur unter kontrollierten Bedingungen. Der Metzgermeister wirft einen Blick auf die Anzeige: „Die Temperatur im Reifeschrank beträgt 1,7 Grad Celsius, die Luftfeuchtigkeit 80 Prozent.“ Die Salzsteinwand bindet austretende Flüssigkeit und sorgt für ein gutes Raumklima.

„Ganz mageres Fleisch kann nicht reifen“
Metzgermeister Harro Bollinger

Auffallend ist die tüchtige Fettauflage, die wie ein Schutzmantel das Fleisch umgibt und es vor dem Austrocknen schützt. „Ganz mageres Fleisch kann nicht reifen“, erklärt der Experte. „Dank des Fettgehalts ist unser Fleisch - ob vom Rind, Schwein oder Lamm - dafür besonders geeignet.“ Mit konventionellem Schweinefleisch, sagt Bollinger, wäre Reifung nicht möglich.  Wichtig sei zudem, dass von der Schlachtung über die Zerlegung bis zum Transport alles hygienisch abläuft. Der Metzgermeister kann sich auch in dieser Hinsicht auf die Kollegen in den verschiedenen Abteilungen verlassen, denn bei der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft sind alle Prozesse, from nose to tail, in einer Hand.

Rund 25 Prozent Masse gehen bei der Reifung drauf; zudem müssen die dunklen, angetrockneten Endstücke pariert beziehungsweise getrimmt werden. Kein Wunder, dass gereiftes Fleisch seinen Preis hat – „und das muss man den Kunden erklären“. Wer freilich einmal ein Porterhouse-Steak vom boeuf de Hohenlohe oder ein Stielkotelett vom Schwäbisch-Hällischen g.g.A. dry aged probiert hat, braucht keine Erklärung. Diese Feinschmecker hat Harro Bollinger längst überzeugt.

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