Von Bäuerliche Erzeugergemeinschaft auf Freitag, 03. Juni 2022
Kategorie: Sonstiges

Landwirtschaft zum Anfassen

Der Bauernhof als lebendiger Lernort: Auf dem Rimmlingshof bei Langenbeutingen sind „Die Rimmlinge“ beheimatet, einer der wenigen Naturkindergärten im Lande. 20 Mädchen und Jungen dürfen hier spielen, toben und beispielsweise lernen, warum Kühe Milch geben.

An diesem Morgen sind nicht alle 20 Rimmlinge auf den Hof gekommen. Es sind Ferien. Deshalb dürfen Ehemalige wieder mal dabei sein, wenn Moritz die große Glocke läutet. „Das bedeutet, dass etwas Neues ansteht“, erklärt Erzieherin Helga Müller (63). Aus allen Richtungen des weitläufigen Geländes kommen die Kinder zum Bauwagen gestürmt und setzen sich davor im Kreis auf die Baumstämme. Erzieher Robert Benz (36) stimmt mit der Gitarre an, dann singen sie: „Wir sind die Kinder, die Kinder vom Rimmlingshof, wir leben, wie es uns gefällt. Wir lieben Tiere und lieben den Rimmlingshof, ja, das ist unsre Welt.“

Robert fragt in die Runde: „Wer frühstückt auf dem Bauernhof zuerst?“ Die Kinder antworten wie aus einem Mund: „Die Tiere!“ Montags und mittwochs ist Hofarbeit angesagt, erklärt Robert und gibt das Kommando: „Ihr schnappt euch den Bollerwagen, Rechen und Besen, und wer noch mal Pipi muss, geht jetzt.“ Zwei Toiletten stehen am Rand des umzäunten Geländes, hinten ein Gartenhäuschen, aus dem die Kinder jetzt das Benötigte holen, der Bauwagen – mehr feste Gebäude sind im Naturkindergarten nicht vorgesehen. Die Jungen und Mädchen sind fast immer draußen, auch wenn es kalt oder regnerisch ist. „Die frische Luft stärkt ihr Immunsystem“, sagt Lara Lederer, deren Sohn Rimmling war und deren Tochter Rimmling ist. Ihr Fazit: dreckige Kleider, glückliche Kinder.

Bio-Landwirt Rainer Kubach, der Chef auf dem Rimmlingshof, hatte beim Studium der Agrarwissenschaften die Gründerin des ersten Bauernhof-Kindergartens Anne-Marie Muhs kennengelernt. Die Idee, so erzählt er, habe ihn seither nicht losgelassen. In Timo Natter, Bürgermeister von Langenbrettach, fand er schließlich einen Mitstreiter. Die Gemeinde firmiert als Trägerin, pachtet die an das Wohnhaus von Kubach angrenzende Fläche von 20 Ar und zahlt dem Landwirt eine Entschädigung. Es gelten feste Regeln: Kein Rimmling darf unbeaufsichtigt über das Hofgelände gehen. Die Kinder sind stets in Sichtkontakt des Erziehers oder seiner Kolleginnen, die sie auch im Umgang mit den Tieren anleiten.

„Bauer Rainer braucht die Hörner, damit die Felder gesund bleiben“
Erzieher Robert Benz

Beim Füttern der Kälber sind die Jungen und Mädchen mit Feuereifer bei der Sache. „Bauer Rainer“, wie ihn die Kinder nennen, hat bereits Milch bereitgestellt, die sie nun in die Tränkeeimer verteilen. Erzieher Robert hängt die Gefäße an das Gitter, damit die Tiere trinken können. Das Gros der Milch seiner 85 Heumilchkühe liefert der Demeter-Bauer an die Dorfkäserei Geifertshofen. Eine zweite Gruppe Kinder lädt im Lager Stroh auf eine Schubkarre und fährt sie zu den Boxen. Erzieherin Helga verteilt die Fracht mit der Gabel auf der Fläche. Zuletzt wird gemistet, dann ist die Hofarbeit für diesen Tag geschafft. „Hände waschen, Rucksack schnappen“, jetzt geht’s zum zweiten Frühstück in die Heuhalle. Fix klettern Jungen und Mädchen auf die großen Strohballen und packen ihre Vesper aus.

So idyllisch es aussieht, bei den Rimmlingen wird nicht heile Welt gespielt. Ein Kind berichtet von einer Begegnung mit „Bauer Rainer“. Der habe ihm erzählt, dass sich eine Kuh am Auge verletzt hat; jetzt muss der Tierarzt gerufen werden. Die Kinder wissen, dass Tiere geschlachtet werden. Ohne Scheu spielen sie mit den Kuhhörnern, die Erzieher Robert in die Halle gebracht hat. So gerne sie möchten, behalten dürfen sie sie nicht. „Bauer Rainer braucht die Hörner, damit seine Felder gesund bleiben“, gibt der Erzieher eine kindgerechte Erklärung der biodynamischen Wirtschaftsweise (www.demeter.de/biodynamisches/landwirtschaft/praeparate#spritzpraeparate).

Zurück im Naturkindergarten. Jetzt dürfen die Mädchen und Jungen spielen, was und wie sie mögen. Spätestens um 13.30 Uhr werden sie von den Eltern abgeholt, dann ist wieder ein erlebnisreicher Tag für die Rimmlinge vorbei.